Rückkehr zum Ort des Geschehens

Alex Oberholzer schrieb ein Buch über seine Kindheit im Kinderspital Affoltern

Alex Oberholzer verbrachte als Kind viel Zeit im Kinderspital Affoltern. (Bild zvg)
Alex Oberholzer verbrachte als Kind viel Zeit im Kinderspital Affoltern. (Bild zvg)

Als berufstätiger Vater von vier Kindern blieb Alex Oberholzer bisher keine Zeit, seine Geschichte niederzuschreiben, wozu er im Laufe der Jahre jedoch immer wieder ermutigt worden war. Er studierte Mathematik, Literatur und Kunstgeschichte und arbeitete über sein Pensionsalter hinaus als Filmredaktor. Als grosses Glück bezeichnet er, dass er kurz nach dem Austritt aus dem Kinderspital, die Gymi-Prüfung bestanden habe und danach studierte. Er meint, mit einem Handicap sei es ganz besonders wichtig, Erfüllung im Beruf zu finden.

Doch jetzt, in seinem Ruhestand, ist es ihm ein grosses Anliegen, seinen grossen Dank auszusprechen, vor allem seinen 60 Müttern, wie der Autor sagt! Rückblickend sind sie es, all die netten, fürsorglichen und liebevollen Schwestern, Physiotherapeutinnen und Ergotherapeutinnen, die sich Alex Oberholzer immer wieder ausgesucht hat. Sie haben ihm die zwölf Jahre seines Lebens im Kinderspital Affoltern zum Paradies gemacht. In einem Interview sagt er: «Im Spital konnte ich meine Mutter selbst aussuchen.» Damit meint er all die Frauen; damals arbeiteten nur Frauen im Kinderspital, die ihm zu einem guten Selbstbewusstsein verholfen haben, ihm eine Stimme gegeben und ihn immer wieder ermutigt haben.

In der abgeschotteten Welt des Kinderspitals war Alex Oberholzer einem steten gigantischen Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Gigantisch bezeichnet der Autor dies, weil es sehr traurige und auch skandalöse Ereignisse gab, er aber auch immer wieder das grosse Glück erfahren durfte. Als dann eine Ärztin meinte, du gehst heute nach Hause und seine Mutter vor ihm stand, sagte er nur zu ihr: «Sie Schwester Mami, warum haben Sie kein weisses Häubchen an?»

Die Beziehung zu seinen Eltern und zu den zwei Geschwistern litt unter der langen Zeit des fehlenden Kontakts. Auf seinen guten Kern, die all die guten Mütter in ihm angelegt haben, konnte er nach seinem Austritt und dem Eintauchen in die fremde Welt, erst viele Jahre später wieder zurückgreifen. Bald eröffneten sich ihm jedoch viele fremde Welten, in die man wunderbar und vollkommen abtauchen kann, die Filmwelt. Für Alex Oberholzer, als Filmredaktor Mission und Berufung zugleich!

Berührender Abend in Affoltern

Am 23. August fand die Lesung seines Buches am Ort des Geschehens, im Kinderspital Affoltern, statt. Mit dabei war auch Urs Wetli, Verlagsvertreter und Verwaltungspräsident der Buchhandlung Scheidegger. Trotz spätsommerlicher Hitze wurde es ein sehr gut besuchter Anlass, an dem auch zahlreiches Pflegepersonal und ehemalige Angestellte teilnahmen. Die Veranstaltung ging nach Aussagen der Anwesenden bei fröhlicher Stimmung über die Bühne.

Alex Oberholzer sagt, das Niederschreiben seiner Geschichte habe ihn zunächst nicht weiter berührt. Als er dann jedoch bei der ersten Lesung auf der Bühne stand und aus seinem Zeitzeugnis vorlas, kamen die Emotionen hoch und er hatte mit den Tränen zu kämpfen. An einer seiner Lesungen sei eine ältere Frau zu ihm auf die Bühne gekommen, eine ehemalige Schwester, die ihn betreut habe und nun in Finnland lebt. «Diese Begegnung war wunderschön», sagt er. Nach all den Jahren habe sie ihn sehr gerührt.

In einem Interview wurde er nach seinen drei Wünschen für das nächste Leben gefragt. Daran glaubt er zwar nicht. Doch es wären dies: Herumhüpfen, um endlich seiner unbändigen Lebensfreude Ausdruck zu geben, barfuss über den Strand laufen und Velofahren.

Lesung in der Buchhandlung Scheidegger, Affoltern am Albis, am 30. November, um 18 Uhr.

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