Serbe hat zu Unrecht Sozialhilfegelder bezogen
Obergericht: Geldstrafe und Landesverweisung
Im grossen Gerichtssaal der Strafkammer II des Obergerichts beginnt kurz nach 8 Uhr die Verhandlung über die Berufung gegen ein Urteil, welches am 3. November 2023 am Bezirksgericht in Affoltern gefällt worden war (der «Anzeiger» hat berichtet). Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, unrechtmässig Ergänzungsleistungen bezogen zu haben, indem er die Behörden über seine Lebenssituation beziehungsweise seinen Aufenthaltsort getäuscht habe. Gegen dieses Urteil hat der Beschuldigte Berufung eingelegt, womit der Fall ans Obergericht weitergezogen wurde.
Der Beschuldigte ist inzwischen in seine Heimat Serbien zurückgekehrt, der Verhandlung beiwohnen konnte er auch weiterhin krankheitshalber nicht. So mussten ein Pflichtverteidiger und der Staatsanwalt Winterthur/Unterland ihre Plädoyers für oder gegen das Urteil vor den Richtern abhalten. Da der betroffenen Hauptperson keine Fragen gestellt werden konnten, änderte sich die Verhandlung zu einem juristischen Disput.
So sprach der Verteidiger von einem unrechtmässigen Bezug von Ergänzungs- statt Sozialhilfeleistungen, das somit nicht mehr als Betrug gälte und das Strafmass einer Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe (bedingt auf zwei Jahre) sowie die Aufhebung des Landesverweises bedeutete. Ausserdem sollen die Verfahrenskosten aus der Staatskasse entnommen werden.
Lange Verfahrensdauer
Der Sachverhalt wird vom Verteidiger ebenfalls angezweifelt: Die lange Liste von Grenzübertritten, welche die zu lange Abwesenheit aus der Schweizer Heimat (und somit die Berechtigung für den Bezug der Ergänzungsleistungen) beweisen sollen, werden angezweifelt und mit Aussagen von Dorfpolizisten in Serbien, sowie dem Stromverbrauch an den Aufenthaltsorten (in Serbien und in der Schweiz) widerlegt. Während der gesamten, langen Verfahrensdauer (2011 bis 2019) hätten sich auch Gesetze zum Thema geändert und Bundesgerichtsentscheide sprächen ebenfalls gegen das Verdikt im Zeitraum. Auch habe der Beschuldigte seine Meldepflicht nicht verletzt, weil er seinen Lebensmittelpunkt immer in der Schweiz gehabt hätte und auch jahrelang nicht nach Veränderungen in seinem Leben gefragt worden wäre. Der Staatsanwalt weist hingegen auf die vollständige Beweisführung der ursprünglichen Anklage hin sowie auf ein neues Beweismittel, wonach der Beschuldigte über 50 Prozent seiner Bankbezüge zwischen 2015 und 2019 im Ausland getätigt habe. Der Sachverhalt sei somit vollständig und erbracht. Ausserdem habe der Beschuldigte einige Beweismittel unkenntlich gemacht. Auch fehle die Rechtsgrundlage, den Beschuldigten zu observieren, um seine Angaben zu überprüfen. «Er lebte in Serbien mit Geld, das für sein Leben in der Schweiz geplant war.»
Das ursprüngliche Urteil soll aufgehoben und mit 24 Monaten Freiheitsstrafe (auf Bewährung), einem Landesverweis von 5 bis 15 Jahren sowie einer Auferlegung sämtlicher Verfahrenskosten ersetzt werden. Nachdem beide Parteien auf weitere Stellungnahmen verzichtet haben, bleibt nun dem Gericht die Aufgabe, abzuwägen und das Urteil schriftlich zu eröffnen (auf eine mündliche Eröffnung wird verzichtet).
Das Urteil des Obergerichts ergeht noch am selben Tag und spricht den Betroffenen als schuldig des unrechtmässigen Bezuges von Leistungen der Sozialversicherung für den Zeitraum vom November 2016 bis März 2018, sowie des Betrugs im Zeitraum vom März bis Ende Dezember 2018. Daher wird er mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 Franken pro Tag bestraft, sofern er sich zwei Jahre nichts mehr zuschulden kommen lässt. Ferner darf er für fünf Jahre nicht mehr in die Schweiz einreisen und wird auch im Schengener Informationssystem ausgeschrieben. Freigesprochen wird der Verurteilte hingegen für die Tathandlungen, die er im Zeitraum vom Januar und Februar 2019 begangen hat. Ausserdem werden die Tathandlungen bis Ende Oktober 2016 wegen des Ablaufs der Verjährungsfrist eingestellt.
Die Kosten des Bezirksgerichts Affoltern und des Obergerichts von insgesamt 11630 Franken (nach aktuellem Kenntnisstand) werden je zur Hälfte dem Verurteilten auferlegt und aus der Staatskasse entnommen. Es erfolgt keine Rückzahlung der Schadenssumme von insgesamt 70 324 Franken.
Urteil SB 240 341 vom 17. Januar 2025, noch nicht rechtskräftig