«Unsere Bewohnerschaft hat mehr Kontakt untereinander»

Markus Da Rugna zur Frage, ob sich Nachbarn in Affoltern eigentlich noch kennen

Er ist Präsident der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Affoltern: Markus Da Rugna. (Bild zvg)

«Anzeiger»: Herr Da Rugna, in der Umfrage von Newhome geben nur 62 Prozent der Befragten an, gelegentlichen Kontakt zu ihren direkten Nachbarn zu pflegen, etwa bei spontanen Gesprächen. Denken Sie, dass dies in Ihren Siedlungen ebenso ist?

Markus Da Rugna: Ich schätze, dass etwa 80 Prozent unserer Bewohnerschaft Kontakt pflegen. Spontane Gespräche finden immer statt. Dies hat wohl auch damit zu tun, dass wir eine Genossenschaft sind, die Kontakte zwischen den Nachbarn fördert. Dass dies andernorts nicht mehr so ist, liegt wohl zum grossen Teil an der heutigen Zeit, wo alle so viel um die Ohren haben, dass ihnen kaum noch Kapazität bleibt, sich mit den Nachbarn zu befassen.

Gemäss der Umfrage wünschen sich 18 Prozent der Teilnehmenden intensiveren Kontakt mit den Nachbarn. Was kann man Ihrer Ansicht nach als Verwaltung oder Genossenschaft tun, um den Austausch zwischen den Mietparteien zu fördern?

Feste und Veranstaltungen organisieren, oder auch Aktionen, bei denen man gemeinsam etwas erledigt. Pflanzen schneiden wäre so ein Beispiel. Man darf als Verwaltung nicht darauf setzen, dass von alleine etwas passiert, sondern man muss es anpacken und eine Veranstaltung organisieren. Viele ziehen sich heutzutage zurück, man muss sie quasi aus ihrem Schneckenhaus holen. Die Courage, zum Beispiel via schwarzes Brett einen eigenen Anlass auf die Beine zu stellen, ist nicht jedem gegeben.

Als grösstes Ärgernis werden Lärmbelästigungen genannt, beispielsweise in Form von Musik, Partys oder lauten Aktivitäten im Freien. Wie bekannt kommt Ihnen dieses Thema vor?

So etwas gibt es immer wieder mal, aber nur vereinzelt, vielleicht einmal pro Jahr. Man kennt sich in unserer Siedlung, und wenn es eine Party gibt, informiert man vorher die Nachbarn, oder diese sind selbst mit dabei. Dass sich von ausserhalb jemand beschwert, ist auch schon vorgekommen. Bei unseren Siedlungsfesten mit grossem Festzelt haben wir auch schon vorgängig die Polizei informiert, um Problemen dieser Art vorzubeugen. Hausintern kann es in Einzelfällen auch schon mal nötig sein, dass wir jemanden aus dem Vorstand vorbeischicken, um mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass man Rücksicht nehmen muss. Einmal ging es ­darum, dass jemand regelmässig Trompete geübt hat in seiner Wohnung, ­diese Problematik konnten wir dann im Gespräch lösen.

Interessanterweise scheinen über 60-jährige Personen gemäss der Umfrage toleranter gegenüber ihren Nachbarn zu sein als andere Altersgruppen, fast die Hälfte stört offenbar gar nichts an ihren Nachbarn. Stimmt diese Erkenntnis auch mit Ihren Erfahrungen überein?

Diese Erkenntnis überrascht mich ein wenig. Ich kann nicht sagen, dass es da eine klare Tendenz gibt; gestört fühlen sich bei uns aber sehr wenige. Einzig bei «Kinderlärm» zeigt sich, dass Eltern mit Kindern nicht reklamieren, sie sind zu sehr vom eigenen Familientrubel umgeben und stufen diesen als normal ein. Ist der Nachwuchs aber ausgezogen und man ist älter geworden, fühlt man sich eher gestört.

Gibt es ein Thema, das hier nicht erwähnt wurde, in Ihren Siedlungen jedoch immer wieder für Diskussionen unter der Bewohnerschaft sorgt?

Ein altbekanntes Phänomen ist die Waschküche. Die typischen Themen sind hier, dass die Wäsche zu lange hängen gelassen wird, die Maschine nicht sauber geputzt ist oder dass die Zeiten nicht eingehalten werden. Diskussionen dieser Art ziehen sich bei uns seit Jahren durch.

In manchen Genossenschaften oder Hausverwaltungen wird versucht, beispielsweise mit einer Veranstaltung am Tag der Nachbarn die Leute in Kontakt zu bringen. Denken Sie, dass so etwas zielführend ist?

Wie erwähnt, pflegen wir solche Veranstaltungen auch sehr stark, beispielsweise mit einem Sommerfest oder mit einem gemeinsamen Essen nach den Generalversammlungen. Ohne dies wäre die Anonymität weitaus höher. Daher denke ich schon, dass jedwelche Bestrebung in dieser Richtung Sinn macht.

Kann man in einem Satz zusammenfassen, inwiefern sich das nachbarschaftliche Verhältnis in einer typischen Mehrfamilienhaus-Siedlung hier in Affoltern von dem inmitten einer Grossstadt unterscheidet?

In einer Grossstadt ist die Anonymität sehr viel grösser, alltägliche Kontakte sind nicht so selbstverständlich. In unseren Siedlungen hilft man sich, etwa, wenn es darum geht, einer älteren Bewohnerin oder einem Bewohner die schwere Einkaufstasche die Treppe hochzutragen. Ich weiss nicht, ob dies in einer Grossstadt auch immer so wäre. Es ist sehr viel wert, wenn man eine gute Nachbarschaft hat, deshalb versuchen wir auch, den Austausch miteinander zu unterstützen, wie es nur geht.

Ihre Meinung zählt!

Wie sieht es bei Ihnen in der Nachbarschaft aus mit Kontakten, hilft man sich gegenseitig, trifft man sich gerne oder wollen viele einfach für sich sein? Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen.

Schreiben Sie uns eine E-Mail mit maximal 2000 Zeichen an:redaktion@affolteranzeiger.ch (red)

Fehlender Kontakt zu den Nachbarn

Das Immobilienportal Newhome hat vom 4. bis zum 11. Juni eine schweizweite Umfrage mit 1302 befragten Personen zwischen 15 und 79 Jahren durchführen lassen. Thema war, wie die Befragten die Nachbarschaft in ihrer Wohnumgebung beurteilen. Auffallend viele gaben an, keinen Kontakt zu ihren Nachbarn zu haben.

Der «Anzeiger» hat mit dem Präsidenten der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Affoltern, Markus Da Rugna, gesprochen, um eine (nicht repräsentative) Ahnung davon zu ­erhalten, ob die Mieterinnen und Mieter in der Region vergleichbare Erfahrungen zum Thema Nachbarschaft machen. Das Interview wurde telefonisch geführt. (mwe)

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