Wie in der «Arena» – aber gesittet
Am Montag sorgte in Bonstetten ein Podium mit Jungparteien für angeregte Diskussionen
«Aaah! Das isch ja wunderbar!», ruft Claude Wuillemin, als zehn Minuten vor sieben Uhr die ersten jungen Männer in Richtung Rigelhüsli gelaufen kommen. «Die Politiker sind da, jetzt fehlen nur noch die Fragesteller», hat er kurz zuvor während des Ausschau-Haltens gesagt und dabei etwas angespannter gewirkt als auch schon.
Fünf junge Männer umfasst die Publikums-«Ausbeute» schliesslich, als das Podium startet. Vier von ihnen waren von Claude Wuillemin ein paar Wochen zuvor eigenhändig angeschrieben worden (der «Anzeiger» hat berichtet) und seiner Einladung gefolgt, einer ist nachträglich hinzugekommen. Den einen oder die andere motivieren, sich mit Fragen in die (lokal)politische Diskussion einzubringen – das ist Wuillemins erklärtes Ziel des Abends. Und wo Fragen gestellt werden, braucht es selbstverständlich auch Antwortende. Diesen Job übernehmen an diesem Montagabend Severin Spillmann (SVP), Dominik Suter (EDU), Annette Schaudt (GLP), Matteo Cominotto (FDP), Remo Perret (SP) und Balz Hedinger (Grüne).
Erfrischende Diskussionskultur
Die fünf angemeldeten Zuschauer hatten Claude Wuillemin im Vorfeld Themen mitgeteilt, die sie interessieren. Er hat daraus Fragen formuliert. Und als Roy sagt: «Mir gehts um Rüstungspolitik!» und seine Frage vorliest, lässt das bereits vermuten, was sich im Verlauf der nächsten anderthalb Stunden bewahrheiten wird: Was die Themen betrifft, geht es im Rigelhüsli an diesem Abend richtig zur Sache. Die Podiumsgäste positionieren sich nicht nur zur Rüstungs- sondern auch zu Energiepolitik, Datenschutz, Feminismus, Mautgebühren oder zum dualen Bildungssystem der Schweiz.
Natürlich: Manches hervorgebrachte Argument dürfte das Publikum (das in den hinteren Reihen aus einer Handvoll Erwachsenen besteht, darunter auch Mitglieder der Bonstetter Behörde) an diesem Abend nicht zum ersten Mal gehört haben. Trotzdem weiss diese «Jugend-Arena», wie Claude Wuillemin sie nennt, mit einer ihr eigenen Authentizität zu bestechen. Da ist noch kein Trainer am Werk gewesen, der dem Polit-Nachwuchs die rhetorischen Kanten abgeschliffen hat. Da wird auch mal ein Satzende verschluckt, oder der Argumentationsfaden droht sich zu verknoten. Da raubt niemand dem anderen die Redezeit oder fällt ins Wort, im Gegenteil, einer schliesst sich mehrmals den Voten seines Sitznachbarn an. Da erwischt man in der Nervosität, die das Rampenlicht mit sich bringt, auch mal einen falschen Begriff (wie der Teilnehmer, der zur Mautgebühr sagte, zur Vignettengebühr kämen jährlich noch die Schwerverkehrsabgaben hinzu, worauf ein Gast aus dem Publikum rief: «Schwerverkehrsabgabe? Bisch du mitem Laschtwage cho?»).
Zu wenig niederschwellig für Einsteiger
«Ich fand das Podium sehr spannend», sagt der 17-jährige Fredrik Gmür aus Bonstetten beim Apéro. Politik interessiere ihn schon länger, sagt der Gymnasiast, aber im letzten Jahr habe das Interesse deutlich zugenommen. Inzwischen ist er der GLP beigetreten. «In der Politik fallen Entscheidungen, die uns in der Zukunft alle betreffen», weiss er, «deshalb ist es so wichtig, dass sich auch die Jungen damit befassen.» Den Zugang zur Politik erlebt er allerdings als nicht besonders niederschwellig. Wer nicht selbst aktiv werde und etwa auf eine Partei zugehe, finde kaum Anschluss: «Da wird meiner Meinung nach in den Schulen noch zu wenig getan, um den Jungen die Politik näherzubringen.»
Annette Schaudt, 18, aus Wettswil, Vorstandsmitglied der GLP Knonauer Amt und Co-Präsidentin der jungen Grünliberalen des Kantons Zürich, sieht es ähnlich: «Es ist so wichtig, jungen Menschen zu verdeutlichen, dass die Entscheidungen auch sie betreffen. Das haben wir heute geschafft, und ich hoffe, wir können das in Zukunft vor einem noch breiteren Publikum machen.»
Sie selbst sagt über sich, sie sei «klassisch zu Hause am Esstisch» durch ihre Eltern politisiert worden. Aktiv in die Politik eingestiegen ist sie nach dem Volks-Ja zu polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) im Jahr 2021, die ihrer Meinung nach «nichts mit Rechtsstaatlichkeit» zu tun hat. Damals war sie 16, war noch nicht stimmberechtigt und trat bald darauf der GLP bei, weil sie «nicht nur motzen», sondern sich auch engagieren wollte.
Und wie hat Veranstalter Claude Wuillemin den Abend erlebt? «Ich bin sehr zufrieden», berichtet er, «s Füür isch da», das habe er bei den Teilnehmenden gespürt. Vor allem aber lobt Wuillemin die Diskussionskultur dieses überparteilichen Podiums: «Da konnte jeder einfach sein wie er ist und fragen, was ihn beschäftigt. Unabhängig von der politischen Ausrichtung.»