Woher stammt die Bevölkerung des Knonauer Amts?

Wanderungsbewegungen in der Geschichte – ein Blick zurück

Bis ins 19. Jahrhundert waren Berge, Gewässer und Sümpfe mobilitätshemmende Hindernisse. Der Weg über den Albis zu Fuss war aber durchaus üblich und der Zürichsee war dank der Schifffahrt leichter zu überwinden als ein Fluss voller Untiefen wi
Bis ins 19. Jahrhundert waren Berge, Gewässer und Sümpfe mobilitätshemmende Hindernisse. Der Weg über den Albis zu Fuss war aber durchaus üblich und der Zürichsee war dank der Schifffahrt leichter zu überwinden als ein Fluss voller Untiefen wie die Reuss. Dies erklärt die vielfältigen Beziehungen zwischen dem Knonauer Amt und dem Seegebiet. (Bild Erika Schmid)

Bevölkerungsbewegungen und Völkerwanderungen haben die Menschheit seit ihren Anfängen geprägt. Die ersten Menschen entwickelten sich vor weit über einer Million Jahren in Afrika. Von dort aus gelangten Volksgruppen wohl über Asien nach Europa. Vor einigen zehntausend Jahren erreichten erste Menschen das Gebiet der heutigen Schweiz. Die Quellen über diese Wanderungsbewegungen sind dürftig. Die verschiedenen Hypothesen, die sich vor allem auf vergleichende Sprachwissenschaften, archäologische Funde und genetische Untersuchungen abstützen, haben eines gemeinsam: Sie belegen grossräumige Wanderungsbewegungen seit der Frühgeschichte der Menschheit.

Natürliche und künstliche Grenzen

Begrenzt wurden die Lebensräume von Gewässern und Sümpfen, Bergen und konkurrierenden Stämmen. Bewachte Grenzen wurden vermutlich erstmals vor rund 2000 Jahren von den römischen Eroberern festgelegt. Der Anführer der römischen Eroberer Galliens, der auch unser Gebiet ins römische Reich integrierte, Julius Caesar, beschrieb seine Eroberungszüge gleich selbst in seinen «Kommentaren zum Gallischen Krieg». Unter anderem stellt er anschaulich dar, wie schwierig es sein konnte, einen Fluss zu überqueren. Einer der Gründe für seine militärischen Erfolge war die Analyse der geografischen Gegebenheiten, die er vorab von Erkundungstruppen erfassen liess.

Wer die Bevölkerungsentwicklungen der letzten zweitausend Jahre analysiert, die mehr oder weniger von schriftlichen Quellen dokumentiert sind, stellt eine keltisch-römisch-alemannische Basis der Bevölkerung fest, die sich im Rahmen von Kriegszügen und – vor allem – Armutsmigration immer wieder mit Menschen aus anderen Gebieten vermischte.

Wohlstand hemmt Auswanderung

Die keltisch-römische Bevölkerung im Gebiet des heutigen Knonauer Amts war vergleichsweise wohlhabend. Die Oberschicht besass Gutshöfe und konnte sich einen Lebensstandard leisten, der erst wieder im 19. Jahrhundert überhaupt möglich wurde: Die Villen verfügten oft über Zentralheizungen, sanitäre Anlagen bis hin zu grossen, geheizten Bädern. Die aus Stein auf guten Fundamenten gebauten Strassen erlaubten den problemlosen Transport von Personen und Gütern. Pferdewechselstellen erlaubten, täglich grosse Distanzen zurückzulegen. Im Gebiet des heutigen Bezirks Affoltern sind etwa neun römische Gutshöfe belegt und möglicherweise bestand im Raum von Lunnern eine kleinstädtische römisch-keltische Siedlung. Die Arbeit leisteten Pächter, halbfreie Colonen und Sklaven. Personenfreizügigkeit bestand nur für die Oberschicht. Germanenstämme überquerten im 3. Jahrhundert mehrfach den Rhein und führten vermutlich Plünderungszüge durch. Belegt sind diese vor allem durch verstümmelte Skelette von Menschen und Tieren, die gefunden wurden.

Der Rückzug der Römer

Um 400 zog sich die römische Herrschaft aus den Gebieten nördlich der Alpen zurück und überliess das Gebiet der heutigen Schweiz alemannischen Stämmen. Dies löste im 5. und 6. Jahrhundert eine Einwanderungswelle durch Germanen aus. Die meisten heutigen Dörfer der Region wurden in dieser Zeit von Zuwanderern gegründet, während sich die keltisch-römische Bevölkerung am Zugersee noch länger behaupten konnte.

Nach der Konsolidierung der alemannischen Einwanderung ging die Migration deutlich zurück. Den Tiefpunkt erreichte sie vermutlich im Hochmittelalter, im 10. bis 12. Jahrhundert, als ein mildes Klima die landwirtschaftlichen Erträge ansteigen liess. Die Gesellschaft beruhte auf persönlichen Beziehungen und machte Migration trotz stark beschränkten Freiheitsrechten äusserst unattraktiv.

Hunger dämmt Zuwanderung

Im 13. Jahrhundert begann sich das Klima langfristig zu verschlechtern, ab dem 14. Jahrhundert plagten Hungersnöte und Seuchen die Bevölkerung in dramatischem Ausmass. Die Erträge brachen ein, die Landbevölkerung hungerte, die Adligen verloren Einkünfte. Dies unterstützte das Erstarken der Städte und der damit einhergehenden innovationsfeindlichen, protektionistischen Zunftkultur. Zuwanderung zur Stadt wurde für Landleute weitgehend verunmöglicht, Zuwanderung in Landgemeinden wurde scharf kontrolliert und setzte erhebliche finanzielle Mittel voraus, insbesondere für Ausländer, die nicht aus der Zürcher Herrschaft stammten. Mit steigender Armutsquote war das Knonauer Amt indes nicht sehr attraktiv. Die Auswanderung überstieg die Zuwanderung deutlich.

Auswanderung nach dem30-jährigen Krieg

Dank der Niederlage Zürichs in der Schlacht bei Kappel von 1531 bestand im Raum der heutigen Schweiz ein Gleichgewicht der katholischen und der protestantischen Kräfte. Dies dürfte ein wesentlicher Grund gewesen sein, dass sich weder die eine noch die andere Seite direkt am Dreissigjährigen Krieg beteiligte, der zwischen 1618 und 1648 in Nordeuropa zur Entvölkerung ganzer Landstriche führte. Der Friedensschluss löste eine Auswanderungswelle aus dem Gebiet der heutigen Deutschschweiz aus. Viele landarme und landlose Angehörige der Landvogtei Knonau zogen ins Elsass oder in die Pfalz, wo sie ein Einkommen fanden und mit Arbeit, Glück und der richtigen Heirat die Chance erhielten, zu eigenem Besitz zu gelangen. Die Industrialisierung begann in der Schweiz kurz nach 1800 in St. Gallen sowie im Zürcher Oberland. Die Fabriken benötigten Arbeitskräfte. Zuerst führte dies zu täglichen Wanderungen von bis zu 20 Kilometern pro Wegstrecke, in einer zweiten Phase zu Wohnortmobilität. Ein Beispiel dafür: 1850 brannte das Haus eines Seidenwebers in Zwillikon nieder. Er hatte jeweils im Winter in der Seidenweberei Schwarzenbach in Thalwil gearbeitet und pendelte an sechs Tagen pro Woche zu Fuss von Zwillikon nach Thalwil. Da er nach dem Brand nach einem neuen Heim Ausschau halten musste, schaute er sich näher beim Arbeitsort um und fand eine neue Bleibe für sich und seine Familie in Rüschlikon. Um den Bedarf der Industrie nach Arbeitskräften zu decken, mussten immer neue Gebiete erschlossen werden. Mit der Bundesverfassung von 1848 wurde innerhalb der Schweiz Personenfreizügigkeit eingeführt. Jetzt waren Aargauer und Zuger im Bezirk keine Ausländer mehr.

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern23.04.2025

«Es braucht auch Mitglieder, die nicht Juristen sind»

Bezirksrat, 2. Wahlgang: Peter Wehrli im Porträt
Bezirk Affoltern23.04.2025

Affoltern: Der «König der Kreisel», der gekrönte Kreisel und der «Bauer»

Serie «Verkehrskreisel im Säuliamt» – Teil 3
Bezirk Affoltern23.04.2025

Bezirksrat: Wer vervollständigt das Gremium?

Peter Wehrli und Mark Würker noch im Rennen