Zentralisierung der ökumenischen Beziehungsberatung
Nach dem Entscheid von Kirchen- und Synodalrat vom März 2014 sollen die neun ökumenischen Beziehungsberatungsstellen im Kanton Zürich zentral geführt werden. Das Angebot wird nur noch Paaren zur Verfügung stehen. Der Verein für Ökumenische Beziehungsberatung Affoltern wehrt sich gegen die Verschlechterung des Angebotes.

Die Ökumenische Beziehungsberatungsstelle in Affoltern gibt es seit 35 Jahren. Sie steht allen Menschen offen, unabhängig von Zivilstand, Alter oder Konfession. Das Angebot umfasst Paarberatungen, Mediation sowie auch Beratungen bei Beziehungsproblemen jeglicher Art. Dabei kann es sich auch um Konflikte in gleichgeschlechtlichen Beziehungen, zwischen Generationen oder auch zwischen Nachbarn handeln. Die Beratungsstelle in Affoltern ist – wie die meisten im Kanton Zürich – über einen Verein organisiert, in dem alle Kirchgemeinden Mitglied sind und einen finanziellen Beitrag leisten. In Affoltern finanzieren die Kirchgemeinden rund 45 Prozent der Gesamtkosten, weitere 45 Prozent werden den Ratsuchenden verrechnet und die restlichen zehn Prozent steuert der Kanton Zürich bei.
Bereits seit fünf Jahren wurden vonseiten einiger Vertreter der Kantonalkirchen neue Modelle gesucht, wie die Stellen in Zukunft organisiert werden könnten. Der Grund dafür: Die Kirchen wünschen sich vom Kanton einen höheren finanziellen Beitrag. Der Kanton seinerseits stellt aber die Bedingung, nur mit einem Ansprechpartner – und nicht mit neun – zu verhandeln. In einem ersten Entwurf war geplant, dass es nur noch vier Stellen im ganzen Kanton geben soll. Für Ratsuchende aus dem Säuliamt hätte diese Zentralisierung für jede Beratungsstunde eine Reise nach Zürich Oerlikon bedeutet. Die Opposition gegen die Zusammenlegung war gross. Man ist inzwischen davon abgekommen. Im März 2014 entschieden dann der Kirchenrat und der Synodalrat, dass die Vereine aufgelöst, die Stellen trotzdem weiter dezentral bestehen bleiben, aber zentral geführt und organisiert werden sollen. (Im Juni 2015 haben beide Kirchenparlamente diese Entscheide bestätigt.) Der Standort Affoltern (am Bahnhofplatz 11) ist also bis auf weiteres gesichert.
Geldhahn zugedreht
Kann der Verein denn zur Auflösung gezwungen werden? «Der Geldhahn wird uns zugedreht, da die Kirchgemeinden gezwungen werden, ihren Beitrag für die Beziehungsberatungsstelle an die Zentralkirche einzuzahlen», erklärt Präsident Paul Leuthold. «Jetzt mit dem Verein haben die lokalen Kirchgemeinden auf das Geschick der Beratungsstelle direkten Einfluss.» Nachher seien es wenige Personen des neu zu bildenden zentralen Vereins für den ganzen Kanton und die Geschäftsstelle in Zürich, die alles bestimmen würden. «Dann haben Affoltern und die Kirchgemeinden gar nichts mehr zu sagen.»
Klar ist bereits, dass die Psychologen für die Beratungsstellen in Zukunft von dieser Geschäftsleitung angestellt werden. Ebenso fest steht auch, dass nur noch Paare – wenn möglich klassische Ehepaare mit Kindern – von der Beratung profitieren können. Und zudem soll es sich nur noch um Kurzberatungen von maximal sechs bis zehn Sitzungen handeln. «Ein völliger Unsinn», erklärt Psychologe und Stellenleiter Dr. Christoph Pally. «Eine öffentliche ökumenische Stelle soll für verschiedenste Probleme zugänglich sein und keine Ratsuchenden abweisen.» Zudem wirke eine Beratung nur, wenn Vertrauen geschaffen werden könne. Und das braucht manchmal Zeit. «Und wenn das Vertrauen gewachsen ist, soll man die Klienten zu einer neuen Person schicken? Für weniger gut Bemittelte ist das oft finanziell nicht möglich. Dafür sind ja unsere Tarife sozial abgestuft, um die Beratung auch diesen Menschen zu ermöglichen.»
Die unbeugsamen Gallier
Der Verein in Affoltern will sich aber dem Diktat von Zürich nicht einfach beugen. «Wir wollen als Verein weiterbestehen», betont Paul Leuthold. «Und wir wollen auch am Zusatzangebot für Beziehungsfragen im weitesten Sinn festhalten.» Um dies zu ermöglichen, wäre von den Kirchgemeinden aber ein Zusatzbeitrag nötig – nebst jenem, den sie in Zukunft der Zentralkirche abgeben müssen. Der Beitrag wäre natürlich geringer. «Er würde ungefähr die Hälfte des bisherigen betragen.» Man werde mit diesem Anliegen an die Kirchgemeinden treten und versuchen, sie für diese gute Sache zu gewinnen, erklären Paul Leuthold und Christoph Pally. Es gehe schliesslich um einen wichtigen Dienst an den Menschen. Die Hoffnung auf ein Entgegenkommen und die Unterstützung für das Weiterbestehen des Vereins und des Angebots ist gross. «An der letzten Delegiertenversammlung waren zu diesem Thema viele positive Stimmen zu hören.»
Dr. Christoph Pally verlässt Affoltern
Die meisten Beratungsstellen im Kanton Zürich werden ab dem 1. Januar 2016 nach dem neuen Regime arbeiten. Affoltern hat sich eine Übergangsfrist bis Ende 2016 ausbedungen. Auf Ende 2016 wird der langjährige Stellenleiter, Dr. Christoph Pally, seine Arbeit in Affoltern niederlegen. Er kann sich mit den «fachlich und menschlich nicht haltbaren Hauruck-Übungen» der geplanten Neuorganisationen nicht einverstanden erklären. «Mit den geplanten Beschränkungen der Arbeit ist die Fortsetzung unseres Affoltemer Beratungsmodells nicht mehr möglich.» Nebst den Kurzberatungen erwähnt er auch, dass die Ratsuchenden neu telefonisch mit ihrem Anliegen bei einem Callcenter landen und von dort an die Stellen vermittelt werden. Das sei für aufgewühlte Menschen in einer Krise eine Zumutung. «Sie brauchen doch genau in diesem Moment den direkten Kontakt zu einer Vertrauensperson.»
Christoph Pally ist nicht der einzige Stellenleiter im Kanton, der die Konsequenzen zieht. Es gibt einige langjährige Teams, die sich aufgrund der Neuerungen auflösen werden. Die zweite Psychologin im Affoltemer Team, Doris Mühlheim, wird im Winter pensioniert. Um doch etwas Konstanz zu sichern, hofft man, dass Christoph Pally im kommenden Jahr noch eine geeignete Nachfolge in Affoltern einarbeiten kann.