Vom Mechaniker zum Immobilienbesitzer, Imker und Stromproduzenten

Keine Karriereplanung hätte den Werdegang von Jürg Obrist so vorgesehen

Jürg Obrist am Steuer seines Ford-A-Oldtimers von 1930, umgeben von seinem Team. (Bild zvg)

Jürg Obrist am Steuer seines Ford-A-Oldtimers von 1930, umgeben von seinem Team. (Bild zvg)

Die Imkerei und Honigprodukte aller Art sind das Steckenpferd von Myri 
und Jürg Obrist.

Die Imkerei und Honigprodukte aller Art sind das Steckenpferd von Myri und Jürg Obrist.

Zwei der grossen Leidenschaften von Jürg Obrist: Seine Frau Myri und seine «Klein»-Sammlung – im Vordergrund ein «Klein Pulse». (Bild Martin Platter)

Zwei der grossen Leidenschaften von Jürg Obrist: Seine Frau Myri und seine «Klein»-Sammlung – im Vordergrund ein «Klein Pulse». (Bild Martin Platter)

Jürg Obrist kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn er seinen beruflichen Werdegang rekapituliert. «Da war eigentlich nichts geplant. Das eine hat immer das andere ergeben», sagt er und fügt an: «Ich bin glücklich, wie es herausgekommen ist. Aber es hätte natürlich auch anders kommen können.»

1967 geboren, entschied sich Obrist nach der Sek für eine Lehre als Velo- und Motorradmechaniker bei der Firma Dieter Zaugg Velos Motos in Hedingen. Da sein Lehrmeister die Ausbildung nicht sehr ernst nahm, hat sich Obrist entschlossen, nach zwei Jahren die Lehre bei Martin Fuchs, der seine Werkstatt damals noch ausschliesslich in Mettmenstetten führte, abzuschliessen. Martin Fuchs wurde zu seinem grossen Vorbild.

Der Weg in die Selbstständigkeit

Nach Lehre, RS und weiteren eineinhalb Jahren bei Moto Fuchs ergab sich die Gelegenheit, seinen ehemaligen Lehrbetrieb in Hedingen zu übernehmen. Das Geschäft stand zum Verkauf. Im Februar 1990 war es so weit, Jürg Obrist eröffnete unter dem Namen «Jürg Obrist Velos Motos» sein eigenes Geschäft, damals als Einzelfirma mit einem Teilzeitangestellten. Er sagt: «Motorräder hatten wir noch keine im Programm. Nur Fahrräder von Kettler, später auch noch von Villiger und deren Zweitmarke Arrow. Als Villiger von der US-Marke Trek übernommen wurde, kam aus meiner Sicht das grösste Highlight: Die damalige Kultmarke Klein, die mich seither nicht mehr losliess», zeichnet Jürg Obrist die Entwicklung seines Geschäfts nach. Die Töffvertretung kam erst 1996 mit der Marke Suzuki dazu. Im hinteren Teil des Gebäudes war ausserdem die Autogarage von Hans-Peter Kaufmann eingemietet.

Die Finanzierung als Herausforderung

Im Jahr 2000 stand Jürg Obrist dann plötzlich vor der Wahl, die gesamte Liegenschaft an der Zürcherstrasse 31, die auf 1600 Quadratmeter Bauland steht, erwerben zu können. «Innerhalb von drei Monaten musste ich die Finanzierung organisieren. Das war für mich – damals erst 33-jährig – eine gewaltige Herausforderung, die mir etliche schlaflose Nächte bereitete. Die Hypotheken standen bei 5,5 bis 6 Prozent und die Bank wollte 50 Prozent Eigenkapital.» Dank seiner Gotte habe er den Betrag dann «Hepp Chlepp» zusammengebracht. Im Juni 2000 stand der Kauf. Nicht nur das macht Obrist rückblickend stolz. Er sagt: «Innerhalb von zehn Jahren habe ich das private Geld zurückgezahlt.»

Die Firma wurde in eine AG umgewandelt und firmierte von da an unter «Obrist Radsport AG». Das nicht unwesentliche Detail: Die Aktien waren zu 100 Prozent im Besitz von Jürg Obrist.

Der grosse Umbau

2015, nachdem Hans-Peter Kaufmann seine Garage altersbedingt aufgab und Daniel Berglas einzog, kam der grosse Umbau. Aus dem ehemaligen Bauernhof wurde ein echter Gewerbebau. Und zwar nicht durch Abbruch und Neubau. Es wurde ein ausgeklügeltes, dreiphasiges Umbauprojekt ersonnen, das Ende Juni 2016 bis im April 2017 bei laufendem Betrieb umgesetzt werden sollte. Zuerst wurde die Autogarage umgebaut. Danach folgte das Velo- und Töffgeschäft, das moderne Werkstattarbeitsplätze und endlich genügend Ausstellungs­flächen erhielt. Dank kluger Architektur sind die Bereiche Fahrrad und Motorrad räumlich getrennt.

Während des Umbaus hat sich Jürg Obrist oft in der Werkstatt abgemeldet, um sich auf der Baustelle nützlich zu machen. Das Verrückte aber war, dass sich der wissbegierige Unternehmer gleichzeitig auch noch in der Ausbildung zum Imker befand.

Faszination für die Bienen

Das kam so: Seit den Nullerjahren kredenzte der generöse Jungunternehmer seinen Kunden als Dankeschön jeweils ein Glas Bienenhonig. Imker Robert Zollinger hatte jedoch irgendwann nicht mehr genügend vom edlen Bienennektar. Das bewog Jürg Obrist, 2008 einen Imker-Grundkurs zu absolvieren, mit dem Ziel, selbst für Honig zu sorgen. Die Materie begeisterte ihn derart, dass er 2014 beschloss, die komplette Ausbildung zum Imker in Angriff zu nehmen. Die erfolgreiche Diplomarbeit über die Qualitätssicherung des Ablaufs und des Honigs selbst lieferte Obrist 2018. Danach begann seine Frau Myriam mit der Ausbildung. So wurde die Imkerei zum zweiten Beruf des Paars, das sogar über einen eigenen Laden mit Honigspezialitäten im Wohn- und Werkstattgebäude verfügt.

Solarstrom und alte Fahrzeuge

Der ungewöhnlichen Wendungen nicht genug: Über die Imkerei wurde Obrist zum Stromproduzenten. Und das lief so: In der Imkerausbildung lernte er einen Mitschüler kennen, der einen Tesla fuhr und diesen selber laden wollte. Auch diese Materie faszinierte Obrist und er begann sich eingehend mit der solaren Stromproduktion zu befassen. «Wir haben grosse Dachflächen. Da war es nur naheliegend, diese mit Solarpaneelen belegen zu lassen. Als langfristige Investition baute ich dann gleich drei Ladestationen und konnte über den Graben des Fernwärmenetzes, das sich im Bau befand, auch gleich noch das Gemeindehaus an meine Solaranlage anschliessen und eine Ladestation für die Kehrmaschine anbieten.» Bescheiden wie Obrist stets geblieben ist, präzisiert er: «Es sind keine Supercharger. 22 Kilowatt ist die maximale Ladeleistung, die mein 88-Kilowattstunden-Akku leistet.» Für diese Investition hatte er keine schlaflosen Nächte mehr. Dafür holte er sich Geldgeber, die Freude an einer guten Rendite haben.

Begeisterung und Neugier als Treiber

Freude ist auch das richtige Stichwort für die weiteren Steckenpferde, die Obrist hegt. Er mag alte Fahrzeuge. Seine ­Fahrradsammlung der inzwischen eingestellten US-Marke Klein, die er 2008 mit Rückkäufen von Kunden begonnen hat, zählt inzwischen international zu den bedeutendsten. «Ich gehe immer wieder zu den Treffen, die in unregelmässigen Abständen in ganz Europa stattfinden. Für ‹Klein› haben wir auch etliche Teile nachproduzieren lassen und führen ein Teilelager für Kunden ­weltweit.»

Daneben besitzt Obrist auch klassische Motorräder und Autos. Das jüngste Objekt ist ein Herzensprojekt und zugleich das zweitälteste Fahrzeug, das mehrere seiner Professionen und Passionen vereint: ein Berna-Lastwagen von 1948 mit Bienenstock-Aufbau, der die Bestäubung von Pflanzen an verschiedenen Standorten ermöglicht. Fahrzeug und Aufbau benötigen allerdings eine aufwendige Restauration. Deshalb hat Obrist zusammen mit seiner Frau das Crowdfunding «Bees on the road» bei wemakeit.com gestartet und inzwischen – wie könnte es anders sein – erfolgreich abgeschlossen. Sein Team zählt inzwischen sieben Mitarbeitende. Den Weg in die Selbstständigkeit hat Jürg Obrist bisher nie bereut.

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