Auf Spurensuche im Schnee
Die Tierspurensuche im Winter ist anspruchsvoll – und erfordert Achtsamkeit
Tierspuren im Schnee bieten eine Möglichkeit, das Leben der Wildtiere hautnah zu erleben. «Die besten Chancen hat man einige Stunden nach einem frischen Schneefall, zum Beispiel am Morgen nach einer verschneiten Nacht», erklärt Paul Erni, Obmann der Jagdgesellschaft Affoltern. Besonders entlang von Wegen lassen sich Spuren entdecken, denn Wildtiere nutzen diese überraschend häufig – vor allem nachts, wie Matthias Wüst von Pro Natura Zürich betont. Er leitet regelmässig Exkursionen zur Spurensuche und weist darauf hin: «Abseits der Wege sollte man gar nicht oder mit Bedacht suchen, um die Rückzugsorte der Tiere zu schützen.»
Wo Tiere Spuren hinterlassen
Offene Landschaften eignen sich besonders gut für die Spurensuche. Hier hinterlassen Tiere wie Hirsche, Rehe oder Füchse ihre Abdrücke, oft gut sichtbar beim Überqueren von Wegen. Auch Wälder bieten gute Möglichkeiten, solange die Suchenden auf den Wegen bleiben. Dabei steht Rücksichtnahme an erster Stelle: «Wildtiere dürfen im Winter nicht gestört werden, da sie sonst unnötig Energie verlieren», mahnt Paul Erni. Besonders sensible Rückzugsorte wie Hecken, Waldränder oder steile Hänge, etwa entlang der Albiskette, sollten gemieden werden.
Tagsüber ist die Spurensuche ideal, da viele Wildtiere in der Dämmerung und nachts aktiv sind. «Auch sollte man genau hinschauen, denn manchmal entstehen täuschend echte Spuren durch herabfallenden Schnee», sagt Matthias Wüst. Witterungseinflüsse wie Wind und Sonneneinstrahlung können Abdrücke zusätzlich verändern und die Identifikation erschweren, da Details an Grösse und Form verloren gehen.
Mehr als «nur» Trittsiegel
Die Abdrücke im Schnee, auch Trittsiegel genannt, geben erste Hinweise, doch die gesamte Schrittfolge – also die Anordnung der Spuren – ist entscheidend, um die Tierart präzise zu bestimmen. Fachleute sprechen bei Spuren von Rehen, Wildschweinen und Hirschen von Fährten.
Um Spuren genau zu bestimmen, empfiehlt Matthias Wüst, sie auszumessen: «Die Abdrücke eines Rehs sind etwa fünf Zentimeter lang und drei Zentimeter breit. Wildschweinspuren messen rund achteinhalb Zentimeter in der Länge und sieben Zentimeter in der Breite.» Auch die Form gibt wichtige Hinweise: «Paarhufer wie Rehe hinterlassen zweigeteilte Abdrücke, während ein Fuchs seine vier Zehen samt Krallenabdrücke hinterlässt», ergänzt Paul Erni. «Auffällig beim Fuchs ist seine schnurgerade Gangart, das sogenannte ‹Schüren›.»
Oft werden Fuchsspuren mit Hundespuren verwechselt. «Während Fuchsabdrücke eher oval wirken, sind die Spuren von Haushunden rundlicher», erklärt Matthias Wüst. Auch hier hilft genaues Hinsehen: Die Krallen des Fuchses sind meist deutlich erkennbar.
Geschichten im Schnee
Spuren erzählen oft mehr als «nur», wo ein Tier entlanggelaufen ist. Matthias Wüst erklärt: «Rehe hinterlassen an ihren Ruheplätzen flache Mulden, sogenannte Rehlager.» Besonders spannend sind Spuren, die von dramatischen Momenten zeugen: «Aufgewühlter Schnee, weiter auseinanderliegende Abdrücke und verschmierte Spuren weisen auf Fluchtsituationen hin.» Selten, aber aufschlussreich sind Funde wie Blutspuren oder Federn, die Jagdszenen oder Kämpfe erahnen lassen.
«Solche Details verraten viel über das Leben in der Wildnis», fasst Paul Erni zusammen. «Die Spurensuche im Schnee öffnet uns einen interessanten Einblick in die Welt der Wildtiere. Doch sie verlangt Respekt und Rücksichtnahme, um die Tiere nicht in ihrem Lebensraum zu stören.»