Das Velo: Garantiert ein Politikum
Die Eröffnung von «Thömus Bike World» in Affoltern war auch ein bisschen Polit-Promi-Treff
Der rote Teppich hat in den vergangenen Jahren eine beachtliche Antikarriere hingelegt. Von Staatsempfängen oder TV-Galas aus Hollywood fand er den Weg in die Niederungen der Provinz, wo sein mondäner Nimbus nun selbst vor dem hinterletzten Coiffeursalon, Tiernahrungsshop oder Kleiderladen nicht totzutrampeln ist. Auch wenn an solchen Eröffnungen meistens keine prominenten «Persönlichkeiten» über den Teppich defilieren, sondern Wegbegleiterinnen, als Kunden getarnte Häppchenjäger oder der Marketingchef, der sich den Gag überlegt hat.
In der Eingangshalle der Markthalle Affoltern lag am Donnerstagabend vergangener Woche auch ein solcher roter Teppich. Links und rechts zierten Teelichter in Laternen den Weg. Der Gastgeber: Thomas «Thömu» Binggeli, Fahrradunternehmer aus Oberried bei Bern. Gefeiert wurde die Eröffnung von Thömus Bike World; es sind die Nachfolge-Läden der ehemaligen Bike-World-Filialen, die bis im Herbst 2024 noch der Migros gehört hatten, ehe sie von der Thömus AG übernommen wurden.
Es gab Häppchen und Weisswein, später noch Risotto. Dazu Velomodelle ohne Preisangaben. War mit Prominenz zu rechnen?
Nun, es traten auf: ein Fürst, eine Zürcher Regierungspräsidentin, eine alt Ständerätin, ein alt Ständerat und die oberste Migros-Chefin. Okay – Fürst Albert von Monaco und Migros-Chefin Ursula Nold waren nicht physisch vor Ort. Doch beide waren Teil des offiziellen Abendprogramms. Fürst Albert lächelte von einem Erinnerungsbild, das Thomas Binggeli bei seiner offiziellen Ansprache zeigte. Entstanden war das Foto auf einer der 24-Stunden-Touren, die Binggeli einmal im Jahr für Kunden und Freunde organisiert. Auf dem Foto hielt Fürst Albert einen Aperol Spritz in der Hand, Thomas Binggelis süffige Anekdote dazu: «An der Tour de France in Paris sagte er mir bei einem Glas Champagner: ‹Wenn ihr in 24 Stunden nach Monaco fährt, stosse ich mit euch an›.» Anderthalb Stunden habe Fürst Alberts Vorzimmer für den Empfang reserviert. «Nach fünf Stunden war er immer noch bei uns. Wir hatten eine wahnsinnige Party.»
Klar: Einem geübten Redner wie Thomas Binggeli braucht niemand beizubringen, dass Geschichten für das Publikum eingängiger sind, wenn der eine oder andere bekannte Name darin vorkommt. Also lieferte Binggeli im Werbespot für sein Unternehmen, der die 25-minütige Ansprache selbstredend war, diese Promi-Würze: Ob Verkehrsminister Albert Rösti, der 2023 an einem von Thomas Binggelis Anlässen sprach, der verstorbene Unternehmer und Sportmäzen Andy Rihs oder Swatch-Entwickler Ernst Thomke, der Binggelis erster Investor gewesen war. Sie alle waren über sieben Ecken Teil seiner Erzählungen.
Natürlich hatte Binggeli auch zu seinem neusten Firmenzuwachs, den Bike-World-Filialen, etwas zu sagen. Deren Übernahme von der Migros schilderte er (der sich nicht scheute, die oberste Migros-Chefin Ursula Nold beiläufig als «attraktive Frau» zu charakterisieren) so: Am WEF in Davos habe er Nold getroffen und zu ihr gesagt: «Wenn ihr Bike World veräussert, müsst ihr unbedingt an uns denken!» Daraufhin habe diese erwidert, dafür sei es bereits zu spät. Ob die Verträge schon unterschrieben seien, habe er wissen wollen. Das waren sie nicht. Also schlug Binggeli im Eiltempo zu.
Regierungspräsidentin im Veloshop
Ans Mikrofon trat an diesem Abend auch eine Person, die man an der Eröffnung eines Veloshops möglicherweise nicht als Erstes erwartet hätte: Es war die Zürcher SVP-Regierungspräsidentin Natalie Rickli, die sich zuvor angeregt mit ihrer ehemaligen Parlamentskollegin Pascale Bruderer unterhalten hatte und sich nun freute, nach dem Frühlingsanlass der Standortförderung innert Wochenfrist ein zweites Mal in der Region Affoltern zu sein.
«Du bist mit deiner Filiale ein Drei-Viertel-Jahr zu spät», witzelte Rickli in Richtung Thomas Binggeli. Erst vergangenes Jahr habe sie sich wegen Fussproblemen ein neues Velo gekauft. Und wenn sie schon als Gesundheitsministerin an der Eröffnung eines Sportladens gelandet war, durfte auch ein präventiver Appell nicht fehlen.
Et voilà: «Machen Sie unbedingt Sport, aber übertreiben Sie es nicht. Unsere Spitäler haben nicht so viel Platz.»