Der «Farang» zieht Bilanz

Ende 2021 ist der Obfelder Ivo Ingold nach Thailand ausgewandert – wie geht es ihm heute?

Der Markt, an dem Ivo Ingold die Abende verbringt.

Der Markt, an dem Ivo Ingold die Abende verbringt.

Ivo Ingold beim Essen mit einem Kumpel. (Bilder zvg)

Ivo Ingold beim Essen mit einem Kumpel. (Bilder zvg)

In Thailand baute das Ehepaar Ingold sein eigenes Haus.

In Thailand baute das Ehepaar Ingold sein eigenes Haus.

Einen «Farang», sinngemäss einen Ausländer, nannten die Thais Ivo Ingold (53), wenn sie in den ersten Monaten nach seiner Ankunft auf dem Markt von Chang Rai über ihn tuschelten. In Thailands eher tourismusarmen Norden verschlagen hatte es ihn im Dezember 2021, kurz vor Weihnachten. Weshalb, liegt nahe: Die Schweiz war ihm verleidet. Zu kalt, zu nass. Und etwas zu spiessig auch.

Gefunkt hatte es zwischen Ivo ­Ingold und Thailand bereits im Jahr 1998: Damals hatte ihm ein Mönch in einem Tempel die Karten gelegt und geraten, er solle sein Glück ausserhalb der Schweiz suchen. Dieser Ruf führte Ivo Ingold bald darauf vor den thailändischen Traualtar, einmal im Jahr 1999 und nachdem sich dieses Glück verflüchtigt hatte, ein zweites Mal 2005. Mit Nong Ingold (52), seiner zweiten Ehefrau, lebte er in den darauffolgenden 16 Jahren in der Schweiz, doch ständig fühlten sich die Ferien in Thailand für ihn viel zu kurz und all die Tage bis zur nächsten Reise viel zu lang an.

Als er im Februar 2020 die Kündigung erhielt und wenige Monate später auch noch seine Mutter nach langer Krankheit verlor, fühlten er und Ehefrau Nong, dass er gekommen war: der Moment, um zusammenzupacken (der ­«Anzeiger» hat berichtet).

Etwas mehr als zwei Jahre sind seit dem Tag der Abreise vergangen. Wie geht es Ivo Ingold heute?

Mit dem Thai harzt es noch

Während unseres Telefonats sitzt Ivo Ingold in seinem zweistöckigen Haus, das er mit einem Teil seines Pensionskassen-Guthabens gebaut hat. Sein Tag ist am Ausklingen, es ist halb neun Uhr abends. Wie gewohnt hat er am Morgen seine beiden Hunde Gassi geführt, die gemeint sind, als er einmal sagt, Nong und er hätten «Nachwuchs» bekommen. Nach dem Spaziergang nimmt er sich in der Regel für drei, vier Stunden der Sicherung seines Lebensunterhalts an. Er arbeite, um zu leben, und nicht umgekehrt, hatte Ivo Ingold einst über sein Arbeits-Ethos gesagt. In Thailand kann er sich das leisten. Noch immer kümmert er sich um das Marketing eines SMS-Flirt-Services. Weil es dort in den vergangenen Monaten immer weniger zu tun gegeben hat, verdient er sich ­inzwischen mit einem Zweitjob als «Chatmoderator» etwas dazu.

Am frühen Abend trifft er dann auf dem lokalen Markt seine Thai-Kumpels, die ihn mittlerweile nicht mehr den «Farang» nennen, sondern Ivo. «Dort essen und trinken wir zusammen und haben Spass», sagt er, der auch gesteht, dass die thailändische Sprache aufgrund ihrer differenzierten Tonhöhen und -verläufe nach wie vor «tricky» für ihn sei. «Ich bin halt nicht so der Sänger», scherzt er. Noch immer drückt er dreimal pro Woche die Schulbank. Trotzdem lasse es sich selbst nach zwei Jahren nicht verhindern, dass er da und dort ein Wort falsch betone. Auch schon hätten harmlose Wörter so unfreiwillig in etwas Schlüpfriges gemündet. «Spätestens, wenn meine Thai-Kumpels kichern, weiss ich: Ooops, daneben!»

Ab und zu ein Menü ohne Reis

Ivo Ingold sagt, wer sich bemühe, die Sprache zu lernen und sich vor dem lokalen Essen nicht scheue, werde mit den Einheimischen bald in Kontakt kommen. Dieser Harmonie zuliebe sieht er auch darüber hinweg, dass «morgens Reis, mittags Reis, abends Reis» für seinen Geschmack etwas gar eintönig ­daherkommt. Tatsächlich ist die europäische Küche eines der wenigen Dinge geblieben, die er ab und zu vermisst. Dann trifft er sich mit seinem einzigen Schweizer Kumpel und kocht Spaghetti, Schweinsbraten oder Kartoffelgratin. «Hauptsache, etwas ohne Reis.»

Als er im vergangenen Jahr für zwei Wochen in die Schweiz kam, dachte er als etwas vom Ersten: «Diese Preise!» Fast zwei Stutz für ein Gipfeli, und acht für eine Schachtel Zigis. Das Geschehen in seiner alten Heimat verfolgt er weiterhin im «Blick» oder auf «20 Minuten». Wahlen oder Abstimmungen überlässt er den anderen, wie in der Vergangenheit auch schon.

Für Ivo Ingold ist klar: Er ist nach Thailand gekommen, um zu bleiben. Nur seine Frau Nong wünschte sich kürzlich, an einem besonders heissen Tag, wieder einmal zurück «in die kühle Schweiz». Da hoffte Ivo Ingold inständig, dass sie das nicht ernst meint.

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