Der Wortdetektiv legt seine Lupe nieder

Sieben Jahre hat Kolumnist Urs Boller der Herkunft von Wörtern und Begriffen nachgespürt – nun verabschiedet er sich

Kultiviert die «ernsthafte Heiterkeit»: Urs Boller, 80, langjähriger «Anzeiger»-Kolumnist. (Bild Livia Häberling)

Am Anfang war das Wort, aber welches? Mehr als sieben Jahre sind vergangen seit dem Start der Rubrik «Herkömmliches», in der Urs Boller die mutmassliche Herkunft von Wörtern und Begriffen deutet. Gegen 240 Kolumnen sind seither im «Anzeiger» erschienen, eine beachtliche Zahl, die mit A wie «Advent» ihren Anfang nahm. Und zwar in der Freitagsausgabe des 16. Dezembers 2016. Und weil es bis zur Bescherung am 24. Dezember nicht mehr allzu weit war, erhielten die Leserinnen und Leser zu seinem Kolumnenstart obendrauf einen zweiten Begriff spendiert: Weihnacht.

Es war ein Auftakt nach Mass, in zweierlei Hinsicht. Erstens, weil Urs Boller in seiner Kolumne auch später regelmässig Wörter und Begriffe mit aktuellem Bezug aufgreifen sollte, und zweitens, weil sie nicht selten einen theologischen oder philosophischen Bezug hatten. Als Pfarrer, zuletzt in Aeugst und Affoltern, hatte er sich über Jahre intensiv und leidenschaftlich mit der Sprache auseinandergesetzt. Und dabei im Alltag immer wieder Wörter entdeckt, die unbewusst benützt wurden. Um ihre Bedeutung besser zu verstehen, beschloss er, der Herkunft auf den Grund zu gehen. «Bis aus der Neugierde über die Jahre eine Art Sucht wurde», wie er lachend erzählt.

Wörter unter dem Brennglas der Zeit

Mithilfe des etymologischen Lexikons förderte Urs Boller nicht selten Überraschendes zu Tage, wenn er ein Wort genauer betrachtete. Unter seiner Lupe, die häufig auch eine Zeit-Lupe war:

So erfuhren die Leserinnen und Leser, dass unter dem Wort «billig» ursprünglich nichts Minderwertiges verstanden wurde, sondern etwas, das dem Wert einer Sache angemessen ist. Oder dass es sich bei dem Wort «Luder» im herkömmlichen Sinn um einen Begriff aus der Falkenjagd handelte.

Berührungsängste kannte Urs Boller bei der Auswahl seiner Wörter und ­Begriffe nicht. Vielleicht auch deshalb, weil viele davon, einmal erklärt, in ­einem anderen Licht daherkamen.

Vielleicht aber rührte seine Offenheit auch daher, dass Urs Boller seinem Hobby zwar mit seriösem Handwerk nachging, aber nicht die Absicht pflegte, daraus eine bierernste Angelegenheit zu machen. Er verstand es, seine Erkenntnisse mit einem Augenzwinkern zu präsentieren. Anders gesagt: Es durfte auch geschmunzelt werden.

«Was Menschen den Tieren andichten, geht auf keine Kuhhaut», schrieb er einmal. Und mit dem ursprünglich harmlosen Wort «Seich», das so viel ­bedeutet wie ausfliessen oder rinnen, stellte er im Umgang eine gewisse Verklemmtheit fest: «Keine Wetterfee sagt: ‹Morgen wird es seichen.›»

Witzig sein um des Witzes willen, das war schon als Pfarrer nicht Urs Bollers Stil, wie er sagt. Aber wenn er die Möglichkeit sah, eine Botschaft humorvoll und doch mit dem der Sache angemessenen Tiefgang zu vermitteln, dann nützte er sie. «Ich hätte mich geschämt, in meinen Predigten etwas zu sagen, das ich selber nicht glaube oder langweilig finde.»

Die «Herkömmliches»-Fans wussten seine gehaltvollen und zugleich zugänglichen Texte zu schätzen. Eine Leserin schnitt jede seiner Kolumnen aus und bewahrte sie auf. Andere sprachen ihn unterwegs an oder schlugen, selber neugierig geworden, eigene Begriffe vor. «Mit deiner etymologisch-historischen Spurensuche hast du wieder einmal den Vogel abgeschossen», rühmte ihn ein Bekannter auf einer Postkarte, als zu Ostern unter dem Titel «Jesu Her- und Zukunft» eine Spezialausgabe seiner Kolumne erschien. «Solche Rückmeldungen haben mich stets gefreut», sagt er. Nun sei es mit der Kolumne aber auch mal gut. In Zukunft will er noch offener sein für seine Enkelkinder und sich nochmals intensiv mit den Gleichnissen der Bibel auseinandersetzen.

Was also 2016 mit A wie «Advent» begonnen hat, endet in dieser Ausgabe mit Z wie «Zu guter Letzt». Und damit dieser Schlusspunkt trotzdem noch ­etwas Gutes hat, sei hier (und auf die Gefahr hin, dass Urs Boller diese Art der Werbung nicht ganz geheuer ist) folgender Hinweis erlaubt:

Wer die Rubrik «Herkömmliches» nicht missen und sich weiterhin oder erneut mit Urs Bollers Wortdeutungen auseinandersetzen möchte, kann das! In der Buchhandlung Scheidegger sind die gesammelten Kolumnen zum Selbst­kostenpreis von 20 Franken erhältlich.

Zudem ist das PDF mit allen Kolumnen auf der Website der reformierten Kirche Knonauer Amt www.ref-knonaueramt.ch (unter «Angebote» -> «Erwachsene» -> «ref. Erwachsenenbildung im Säuliamt» aufgeschaltet

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