Ein Beobachter der Zeitgeschichte
Richard Frick aus Affoltern hat ein ganz spezielles Buch zusammengestellt
Betritt man die Wohnung von Richard Frick in Affoltern, wähnt man sich in einer Art Sammellager für Zeugnisse von Revolutionen, Kriegen und Umbrüchen seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Karl Marx blickt mit steinerner Ruhe von einem enormen Plakat von der Wand über dem Sofa. In der Vitrine sind Bücher über Revolutionen gestapelt und eine rote Fahne mit Hammer und Sichel winkt dem Besucher zu.
Tausende Plakate lagern in Bonstetten und Affoltern
Wo andere Leute Bilder ihrer Eltern oder Kinder platzieren oder ein gemaltes Bergpanorama, hat Richard Frick Plakate aufgehängt. Plakate, die von den grossen politischen Katastrophen künden. Von der Kubakrise, den Kriegsverbrechen der Amerikaner in Vietnam, den grossen und kleinen Revolutionen in Süd- und Mittelamerika. «Atomkrieg nein» fordert eines, ein anderes wirbt für den Sozialismus. 6000 Plakate hat der Dozent für Typografie im Laufe seines Lebens gesammelt, mehrere auch selber gestaltet. Sie füllen buchstäblich jeden Quadratzentimeter seiner Wohnung, der grosse Rest ist in einem Plakatsammelraum in Bonstetten untergebracht. Doch da kommt kaum einmal jemand hin. Und damit zumindest etwas aus der grossen Kollektion an die Öffentlichkeit gelangen kann, hat Richard Frick ein Buch gestaltet. Es war eine Idee von Ex-Studierenden der Höheren Fachschule für Gestaltung und Kunst und wurde von ihnen gestaltet (Buchgestaltung, Schriftdesign und Vertrieb).
«Widerstand, Befreiung, Aufbau», heisst es. Auf 300 Seiten erzählt Frick dabei von seinen Reisen in die Bürgerkriegswirren von Kolumbien, von seinen Begegnungen mit hohen Farc-Kommandanten, von seinen Reisen nach Mexiko, Nicaragua, Albanien oder auch Korea. Neben zahlreichen Plakaten, die von den politischen Umwälzungen in diesen Ländern berichten, hat Frick auch zahlreiche Aufnahmen publiziert, die neben der hervorragenden Qualität auch von seinem unerschrockenen Naturell zeugen. Er ist in Länder gereist, um die andere einen grossen Bogen machen würden. Er ist in Kolumbien mit dem Ross zu den Farc geritten und dort spontan zu einem Fest eingeladen worden. Wie hält man das aus: Zeuge zu werden von Barbarei, Krieg, Elend? «Ich bin gar nicht knallhart», sagt Frick. «Das geht alles nicht spurlos an mir vorbei. Diese Reisen haben mich auch immer wieder erschüttert.» Aber er hat ein Anliegen: «Ich möchte die Frage aufwerfen: Was hat der Imperialismus mit den Völkern gemacht?» Denn was diese Völker gelitten haben, «das ist ungeheuerlich».
Das sorgfältig editierte Buch zählt faktentreu die wichtigsten Meilensteine in Sachen Krieg und Unterdrückung der von ihm bereisten Länder auf, ist angereichert mit persönlichen Stellungnahmen des Autors, bildet zahlreiche von zeitgeschichtlichen, aber auch von designerischen Aspekten her hochinteressante Plakate ab und ergänzt diese mit zum Teil sehr persönlichen Fotografien. «Die Bilder in diesem Buch zeigen seine Nähe zu den Menschen. Sie suchen Authentizität», schreibt in einem Vorwort dazu der frühere Kurator im Kunsthaus Zürich Guido Magnaguagno.
Auch die Hoffnung kann einmal vergehen
Der nimmermüde Chronist des Weltgeschehens, der aus dem St. Gallischen Uzwil stammt, war jahrzehntelang als Botschafter des Friedens am Sammeln von Zeugnissen der Kriege unterwegs. Was sagt er zu den aktuellen Krisenherden, Ukraine, Gaza, Sudan, Taiwan und noch ein paar mehr? «Damals hatte ich die grosse Hoffnung, dass sich die Völker befreien können. Heute ist die weltweite Situation noch schlimmer geworden. Die Hoffnung, dass sich die Völker der 3. Welt befreien können, habe ich weitestgehend verloren.»