«Meine Heimat ist dort, wo mein Herz ist»

Emerson De Oliveira Steinmann arbeitet als Sigrist in der reformierten Kirche Stallikon-Wettswil

Als Sigrist gehört auch das Anzünden der Osterkerze vor dem Gottesdienst zu den Aufgaben von Emerson. (Bild Marianne Voss)

Sein vollständiger Name ist lang: Emerson José De Oliveira Steinmann. «In Brasilien sprechen wir uns aber nur mit dem Vornamen an», erklärt er gleich zu Beginn des Gesprächs. «Ich bin Emerson. Und ich arbeite in der reformierten Kirchgemeinde Stallikon-Wettswil als Sigrist.» Eigentlich war Emerson methodistischer Pfarrer, aber es stört ihn gar nicht, nun als Sigrist zu arbeiten. Er empfindet das gar nicht als Abwertung. Er sei nicht nur für die Vorbereitung der Gottesdienste zuständig, sondern als Hauswart auch für Reparaturen oder die Pflege der Umgebung. Er liebt seine vielfältige Tätigkeit, die Zusammenarbeit mit den zwei Pfarrern und die persönlichen Begegnungen mit den Mitgliedern der Kirchgemeinde. Wer in Stallikon oder Wettswil in die Kirche geht, wird von Emerson an der Kirchentür fröhlich und herzlich willkommen geheissen. «Kirche, das ist nicht das Gebäude. Kirche, das sind die Menschen. Wir haben viele Anlässe und Projekte für alle, von Jung bis Alt. Oft bin ich dabei mittendrin. Das gefällt mir, und ich versuche, es für alle gut zu machen.»

Kinderarbeit

Emerson ist mit vier Geschwistern in einer Kleinstadt im Süden Brasiliens aufgewachsen. Während seiner Kindheit und Jugendzeit übte er verschiedenste Tätigkeiten aus, um das Familieneinkommen aufzubessern. «Das war völlig normal.» Neben der Schule habe er als Strassenverkäufer Sandwiches oder Glace verkauft. «Später fuhr ich im Überlandbus als Kontrolleur mit. Acht Stunden hin und acht Stunden zurück.» Ab dem 14. Lebensjahr ging er nicht mehr zur Schule, sondern verdiente sich seinen Lebensunterhalt selber. «Ich wohnte aber immer zu Hause bei meiner Familie, auch als ich erwachsen wurde. Auch das ist normal in Brasilien.» Durch seinen Bruder hatte er die Möglichkeit, als Radiomoderator Fussballspiele zu kommentieren. «Später arbeitete ich als Berater für Politiker und danach als Eventmanager und Werbesprecher. Während dieser Zeit ging es mir finanziell sehr gut.»

Theologie studiert

«Doch dann wurde ich Missionar.» Klar, er sei katholisch gewesen, wie die meisten Menschen in Brasilien. «Meine Mutter wünschte sich sogar, dass ich katholischer Priester werde.» Doch mit einem Freund habe er einen Gottesdienst in einer methodistischen Kirche miterlebt. «Ich war von dieser persönlichen Atmosphäre so berührt, dass ich aus der katholischen Kirche austrat und mit einer christlichen Jugendorganisation nach Peru ging, um auf der Strasse zu missionieren.» Seine Mutter habe kein Problem gehabt damit. «Für meinen Vater jedoch war ich kein Sohn mehr.» Die Zeit in Peru habe ihn sehr geprägt. «Da gab es gar keinen Luxus, wir lebten sehr einfach und schliefen oft irgendwo auf dem Boden.»

Als er nach Brasilien zurückkehrte, studierte er an der methodistischen Universität Theologie und schloss als Pfarrer ab. «Dort lernte ich meine Schweizer Frau kennen, die ein Auslandsemester absolvierte.» Er kam mit ihr in die Schweiz, heiratete und wurde Vater einer Tochter. «Inzwischen haben wir uns aber wieder getrennt.» Er betont: «Wir haben nach wie vor ein gutes Verhältnis zueinander.»

Latino-Treff in Wettswil

Emerson wohnt in Adliswil. Er lebt nun seit 15 Jahren in der Schweiz und spricht gut verständliches Deutsch. Auf die ­Frage, wo seine Heimat sei, sagt er: «Hier bin ich Ausländer und in Brasilien inzwischen auch. Doch meine Heimat ist dort, wo mein Herz ist, und das ist hier in der Schweiz.» Er schwärmt von der politischen Stabilität, der Sicherheit, den guten Schulen oder der Sauberkeit. Und das Essen? Er lacht. «Das brasilianische Essen vermisse ich manchmal. Und auch die südamerikanische Spontanität.»

Seine erste Arbeit in der Schweiz war ein Engagement für Latinos in der methodistischen Kirche, dann aber auch in einem Altersheim. «Das war eine gute Zeit. Ich habe von den betagten Menschen viel gelernt.» Nun sei er bereits seit gut zwei Jahren in Stallikon-Wettswil tätig und sehr zufrieden mit seiner Arbeit.

«Ich bin aktuell daran, mit der Kirchenpflege der reformierten Kirche Stallikon-Wettswil ein neues Projekt ins Leben zu rufen, und freue mich, dass die Kirchgemeinde das mitträgt.» Es gebe im Säuliamt viele Latinos, also Menschen mit spanischen, portugiesischen oder lateinamerikanischen Wurzeln. «Für einen Gottesdienst in ihrer Sprache müssten sie nach Zürich fahren. Daher hatten wir die Idee, einmal im Monat einen Gottesdienst mit anschliessendem Nachtessen zu organisieren.»

Gedacht, getan. Am Samstag, 25. Mai, werde in der Kirche Wettswil der erste Latino-Treff stattfinden mit einem ökumenischen Gottesdienst in Spanisch und Portugiesisch.«Anschliessend gibt es eine Feijoada, den typischen brasilianischen Bohneneintopf.» Er wünsche sich, dass dieser monatliche Anlass zu einem Begegnungsort für verschiedene Generationen werden könne. «Alle sind eingeladen! Natürlich auch Schweizerinnen und Schweizer.»

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