Das Jumpin hat seinen Weltmeister gefeiert
15 Tage nach seinem Goldsprung feierte Noé Roth seinen Titel mit 70 Personen im Güterschuppen am Bahnhof Mettmenstetten.
Bald 30 Jahre ist es her, seit Sonny Schönbächler 1994 aus Lillehammer mit Olympiagold ins Knonauer Amt zurückgekehrt ist. Evelyne Leu machte es ihm 2006 in Turin nach. Dazwischen und danach war das Knonauer Amt zwar durchgehend mit Top-Athleten in der Aerials-Weltspitze vertreten, für einen ganz grossen Coup am Saisonhöhepunkt reichte es allerdings niemandem mehr. Bis zum 23. Februar dieses Jahres. Da holte sich Noé Roth in Bakuriani den Weltmeistertitel (der «Anzeiger» berichtete) – als erster Schweizer überhaupt.
Früh angefangen
Hinter dem Erfolg steht einerseits eine Skiakrobatik-Familie – Mutter Colette Brand hat 1998 in Nagano Olympia-Bronze gewonnen, Vater Michel Roth bringt sein Fachwissen seit Jahren als Nationaltrainer ein. So war Noé schon im Kleinkindalter mit dabei, wenn die Top-Athleten im Sommer im Jumpin in Mettmenstten trainierten. Seine ersten Saltos habe er schon gedreht, bevor er laufen konnte, erinnert sich Sonny Schönbächler: Mit seiner Lauflern-Hilfe fiel klein Noé 2001 im Jumpin die Treppe hinunter. Unten sei das Gefährt dann wieder gestanden. An erste Springversuche im Schnee erinnert sich Hanspeter Isoz, langjähriger Aerials-Berichterstatter für den «Anzeiger». Während sich die Grossen an den Schweizer Meisterschaften 2007 in Meiringen massen, sei der Dreikäsehoch über seine eigene kleine Schanze gesprungen.
Nebst den genetischen Voraussetzungen und der Sportleidenschaft in der Familie spielt die bereits erwähnte Wasserschanze in Mettmenstetten eine entscheidende Rolle – nicht nur für die Entwicklung des frischgebackenen Weltmeisters, sondern auch für die erfolgreichen Karrieren diverser anderer Athletinnen und Athleten aus der Region. Es ist kein Zufall, dass das Knonauer Amt in den Kadern von Swiss Ski in den letzten 20 Jahren überproportional vertreten war. «Es ist ein Vorteil, wenn man auf der weltbesten Schanze trainieren kann», heisst es beim Verein Jumpin selbstbewusst.
Am Freitagabend hat der Verein seinen Weltmeister im zum Eventlokal ausgebauten ehemaligen Güterschuppen am Bahnhof Mettmenstetten empfangen. Rund 70 Leute, Gross und Klein, fast alle in einem Weltmeistershirt, erwarteten dort den Überflieger. Die Shirts mit dem Konterfei von Noé Roth und dem Aufdruck «Bravo Noé – Aerials World Champion 23» hatte Sonny Schönbächler organisiert und verteilt. Um 18.15 Uhr betrat der Weltmeister dann den Eventraum, ganz still und bescheiden. Dieser Moment sei für ihn nervenaufreibender gewesen, als an der WM auf die Schanze zuzusteuern, verriet er später. Es dauerte einige Sekunden, bis die Gäste im Güterschuppen seine Anwesenheit überhaupt registrierten. Dann schallte ihm allerdings ein lang anhaltender Applaus entgegen. Nach einer ersten Begrüssungsrunde ergriff Andreas Isoz, Vereinspräsident und Jumpin-Geschäftsführer, das Wort. «Wir vom Verein Jumpin sind extrem stolz», würdigte er die Riesenleistung des jungen Schweizer Teamleaders. «Und wir hoffen, dass der Titel allen weiterhilft fürs Selbstvertrauen im Hinblick auf die nächsten Titelkämpfe.»
Noch ein Weltcup, dann zum Surfen
Aerials-Pionier Sonny Schönbächler zeigte anhand von einigen Beispielen die Entwicklung des Sports seit seiner eigenen Aktivzeit auf: Zum Einspringen sei für ihn damals ein Doppelsalto mit einer Schraube üblich gewesen, heute sei es bei Noé Roth ein Dreifachsalto mit drei Schrauben. Verändert haben sich auch der Absprungwinkel der Schanze und die Anlaufgeschwindigkeit: Heute katapultieren sich die Athleten um 10 Kilometer pro Stunde schneller in die Luft als damals. Und wie gross ist und war die Vielfalt an möglichen Dreifachsaltos? Noé Roth kann deren zwölf aufzählen. «Wir hatten einen mehr – der Sport kann sich also gar nicht so sehr entwickelt haben», bilanzierte Schönbächler scherzhaft – und hatte die Lacher auf seiner Seite. Wieder ernst, schob er nach, es sei ein Genuss, Noé Roth und Co. bei der Ausübung ihrer Sportart zuzuschauen.
Der letzte Weltcup dieser Saison findet am Sonntag in Almaty (Kasachstan) statt. Dann stehen für Noé Roth erst mal Ferien auf dem Programm. «Irgendwo surfen ist das Ziel», so der Weltmeister, eher er sich daran machte, seinen Titel zu feiern. Unter den Gästen waren nebst den aktiven Kolleginnen und Kollegen auch Athleten der Vorgänger-Generationen – erwähnt sei nebst Schönbächler und Isoz auch Christian Hächler. Und während Schönbächler im Säuliamt als Pionier gilt, gibt er diese Ehre weiter: Den ebenfalls anwesenden Rinaldo Mazzoleni bezeichnete er als Ur-Ur-Urvater der Wasserschanzen in der Schweiz. Mazzoleni hatte schon 1978 in Laax eine erste Anlage gebaut – und mit hydraulischen Verstellungsmöglichkeiten und Druckluft zur Abdämpfung der Landung auf dem Wasser experimentiert.