Ehemaliger FCA-Trainer kassiert Sperre wegen verbaler Belästigung
Fussballtrainer A. darf wegen verbaler sexueller Belästigung für mindestens zwei Jahre keine Frauenteams mehr trainieren. Eine Ex-Spielerin zeigt sich über das Urteil zufrieden. Derweil bangt A. um seinen Ruf.
Die Geschichte hatte im Februar 2022 medial für Wirbel gesorgt: Der damals 64-Jährige A. trainierte in Affoltern die erste Mannschaft der Frauen. Sportlich gab es Erfolge zu feiern, gemeinsam meisterte man den Aufstieg in die erste Liga. Doch zwischenmenschlich happerte es: A. hatte offenbar andere Vorstellungen davon, was in einer professionellen Trainer-Spielerinnen-Beziehung angemessen ist.
Mehrfach äusserte er sich verbal und in Chatnachrichten in einer Art und Weise, die für seine Fussballerinnen deutlich zu weit ging: Einer Spielerin schrieb A., dass er oft an sie denke und von ihr träume. Einer zweiten bot er an, ihren Bluterguss herauszumassieren. Einer dritten schickte er animierte Tier-Piktogramme mit Herzchen-Augen und schrieb hinterher, da sei er «aber so was (von) auf die falsche Taste gekommen». Und einer vierten bot er an, ihn kostenlos nach Las Vegas zu begleiten – und mit ihm das Zimmer zu teilen. Mehrere Spielerinnen fühlten sich dadurch sexuell belästigt, er dagegen wollte seine Sprüche nicht als Avancen verstanden wissen. Er tat sie als «Spässe» ab.
Die Kapitänin ermahnte ihn mehrfach, dann wandte sie sich an den Vereinsvorstand. Dieser meldete die Vorkommnisse schliesslich bei Swiss Sport Integrity (SSI), die Ethikverstösse im Sport ahndet und sanktioniert. Ob angemessen und genügend zeitnah gehandelt wurde, darüber waren sich der Vorstand und die Frauen nicht einig. Und weil es bereits in der Vergangenheit Differenzen gegeben hatte, trat die grosse Mehrheit des 1.-Liga-Frauenteams aus dem FC Affoltern aus.
Zwei Jahre Sperre und ein psychologisches Verhaltenstraining
Im Dezember 2022 fand in Anwesenheit des beschuldigten Trainers und von Swiss Sport Integrity die mündliche Verhandlung statt. Zuvor hatte es zahlreiche Befragungen der Spielerinnen gegeben, zudem waren Dokumente gesichtet worden. Am Dienstag nun veröffentlichte Swiss Sport Integrity das Urteil der Disziplinarkammer (DK): Darin wird der Trainer der «Verletzung der sexuellen Integrität» schuldig gesprochen. Gemeint sind damit die erwähnten mündlichen Anzüglichkeiten. Gemäss Ethik-Statut ist die sexuelle Integrität beispielsweise verletzt, wenn Bemerkungen über körperliche Vorzüge gemacht oder obszöne, sexistische Redensweisen gebraucht werden.
Für A. heisst das: Er muss zu einem psychologischen Verhaltenscoaching antraben, um den angemessenen Umgang mit Athletinnen zu üben. Bis er die 20 Lektionen absolviert hat, darf er nicht mehr als Mädchen- oder Frauentrainier arbeiten. Hat er den Nachweis vollbracht, wird seine Sperre im Dezember 2024 aufgehoben. Zudem wurde A. dazu verknurrt, die Verfahrenskosten und eine Parteientschädigung von insgesamt 2250 Franken zu berappen.
Eine Ex-Spielerin der betroffenen Mannschaft zeigt sich gegenüber dem «Anzeiger» erleichtert über das Urteil: «Der Entscheid bestätigt uns, dass es richtig war, die Vorkommnisse zu melden. Nur so können andere Frauen und Mädchen vor ähnlichen Erfahrungen bewahrt werden.» Die Spielerin sagt, im ersten Moment sei ihr die zweijährige Sperre als etwas milde erschienen. Von den Frauen, die anlässlich des Verfahrens befragt worden waren, hatte sie bereits im Frühling vom Urteil erfahren. Mit etwas zeitlichem Abstand erscheinen ihr die Sanktionen heute als angemessen. «Gerade, wenn man bedenkt, dass es im Bereich sexueller Belästigung noch weitaus schlimmere Fälle gibt.»
Trainer: «Habe falsche Dinge gesagt, aber bin kein Sex-Grüsel»
Nicht so versöhnlich mit dem Entscheid der Disziplinarkammer zeigt sich Trainer A. Nach den Vorfällen im Februar 2022 hatte er sich nach eigenen Angaben in psychiatrische Behandlung begeben müssen. Nun sieht er sich in dieser Angelegenheit erneut komplett missverstanden. Zwar räumt er am Telefon Fehler ein: «Was ich zu den Spielerinnen gesagt habe, hätte ich nicht sagen sollen», allerdings fühlt er sich für diese verbalen Entgleisungen deutlich zu hart bestraft. Zu knabbern hat er insbesondere daran, dass die untersuchungsführende Swiss Sport Integrity eigentlich ein eher mildes Urteil für ihn vorgesehen hatte; das die Disziplinarkammer anlässlich der Verhandlung im Dezember 2022 dann deutlich verschärfte. Sie erhöhte die Anzahl der Coaching-Stunden von 10 auf 20 und brummte ihm eine fixe zweijährige Sperre auf. Mit den Sanktionen der SSI hätte er bereits nach Absolvieren des Coachings wieder trainieren dürfen. Momentan habe er zwar kein Bedürfnis, die Trainertätigkeit wieder aufzunehmen, doch durch die Sperre fühlt er sich übermässig stigmatisiert: «Wer hört, dass ich wegen Verletzung der sexuellen Integrität schuldig gesprochen wurde, weiss nicht, was das genau bedeutet. Ja, ich habe falsche Dinge gesagt, doch deshalb bin ich noch längst kein Sex-Grüsel.»
FC Affoltern: «Ethik-Verstösse umgehend melden»
Swiss Sport Integrity untersuchte im Zusammenhang mit den Verstössen des Ex-Trainers auch die Strukturen und Prozesse innerhalb des Vereins und prüfte, ob die Meldepflicht bezüglich der Missstände eingehalten wurde. Im Januar 2023 gab SSI bekannt, dass dieses Verfahren eingestellt wurde. Der Vorstand des FC Affoltern war somit entlastet: Er hatte nicht gegen die Meldepflicht verstossen.
Welches Fazit zieht der FCA nach Abschluss des Falls? «Gerne hätten wir schon in der Vergangenheit für unser Aktiv-Frauenteam eine Trainerin engagiert. Die Realität zeigt aber, dass es schlichtweg noch nicht genügend Frauen gibt, die sich auf Stufe Breitensport als Trainerinnen für den Frauenfussball zur Verfügung stellen», sagt Michael Romer, Co-Leiter Finanzen FCA. Zudem ruft er Sportvereine dazu auf, erkannte Ethik-Verstösse umgehend Swiss Sport Integrity zu melden, wie dies der FCA getan habe. Das würde helfen, dank dieser offiziellen Stelle keine fehlbaren Coaches zu engagieren.
Auf die Saison 2023/24 wird der FCA wieder ein Frauen-Team in der Kategorie Aktive anmelden, das in der 4. Liga startet. Das Team wird von Spielerinnen der Juniorinnen A+ gestellt, das seit Jahren von einer Trainerin betreut wird, die im letzten Jahr eine Frau als Assistentin erhalten hat.